
Die Milizarmee, das sind Schweizer Bürgerinnen und Bürger, die einen besonderen Dienst für die Sicherheit von uns allen leisten. Das war so und das wird auch so bleiben. Das Modell ist in dieser Form einzigartig und gehört zu unserer Schweiz. Um zukünftigen Herausforderungen begegnen zu können, stellt sich jedoch schon heute die Frage, wie wir das gesamte Potential unserer Schweiz nutzen können.
In Schweizer Spitälern und Pflegeheimen arbeiten bereits heute viele Fachkräfte ohne Schweizer Pass. In der Informatik fehlen der Schweiz mittelfristig mehrere Tausend IT-Spezialistinnen und Spezialisten. In der Kasernenküche zeigt sich das Bild genauso deutlich: Dort können wir bereits heute nicht mehr genügend Schweizerinnen und Schweizer rekrutieren, um für die Truppe zu kochen. Es stellt sich daher die strategische Frage, wie das «Gesamtsystem Armee» in Zukunft die nötige Anzahl Fachpersonen rekrutieren kann.
Ein möglicher Lösungsansatz liegt vielleicht gar nicht so weit: In der Armeeverwaltung besitzen bereits heute viele Angestellte keinen Schweizerpass, dafür aber eine Arbeitsbewilligung und eine gültige Personensicherheitsprüfung. Während in sicherheitsrelevanten Bereichen strenge Auflagen gelten und nur Schweizer Staatsangehörige zugelassen sind, arbeiten in der Ausbildung, in IT-Projekten und in der Verwaltung auch Mitarbeitende, die keinen Schweizer Pass haben.
Das Beispiel zeigt, dass eine Unterscheidung zwischen Kern- und Basisaufgaben auch bei den Einsatzkräften ein möglicher Lösungsansatz wäre. Kernaufgaben sind dabei jene, welche die Armee zwingend mit eigenen Mitteln und in allen Lagen erbringen muss. Mit diesen Aufgaben erfüllt die Armee ihren Auftrag gemäss Bundesverfassung: Schutz, Sicherheit und Verteidigung. Die Kernaufgaben werden zwingend von Milizpersonal und -formationen, zusammen mit dem militärischen Berufspersonal, wahrgenommen. Die Basisaufgaben sind hingegen unterstützend und müssen bei Einsätzen der Armee nicht zwingend verfügbar sein. Sie werden vor allem in der Ausbildung, der Basislogistik und der Militärverwaltung erbracht.
Viele ausländische Streitkräfte arbeiten mit Lieferanten zusammen. Diese sogenannten Contractors erbringen Basisleistungen zugunsten der Truppe in Bereichen wie der Logistik, der Wartung oder der Informatik. Gewisse Armeen nehmen diese Firmen sogar zu Einsätzen ins Ausland mit. Die deutsche Bundeswehr geht noch weiter und hat das Projektgeschäft der Informatik komplett ausgelagert. Auch die Schweizer Armee arbeitet bereits heute mit vielen Partnerfirmen und Lieferanten zusammen. So betreibt die RUAG gewisse Einsatzsysteme im Training und arbeitet direkt mit der Truppe. In einigen Ländern leisten auch Menschen mit einer Aufenthaltsbewilligung einen Beitrag zur Sicherheit des jeweiligen Landes. Nicht nur in der Armee, aber auch.
Ich frage mich, ob es in Zukunft und angesichts des Fachkräftemangels eine Rolle spielt, ob der zivile Lastwagenfahrer der Logistik einen Schweizer Pass besitzt. Braucht der Mechaniker das rote Büchlein, um in der Werkstatt im Logistikcenter Systeme zu reparieren? Wie sieht es bei der Mitarbeit im Security Operation Center der IT aus? In IT-Projekten? In unseren Verpflegungszentren? Könnten wir nicht auch das Miliz-Betriebspersonal auf den Waffenplätzen besser einsetzen? Müssen die Erbringer von Basisaufgaben bewaffnet sein? Über alle diese Fragen lohnt es sich, nachzudenken.
Konzentrieren wir unsere Bürgerinnen und Bürger in Uniform auf die Kernaufgaben, die direkt mit dem Armeeauftrag in Zusammenhang stehen. Das entspricht Verfassung und Gesetz. Bleiben wir gleichzeitig offen bei der Erfüllung von Basisaufgaben. In der Vision, die wir aktuell für «eine Schweizer Armee für alle» erarbeiten, sind solche Modelle noch kein Thema. Aber warum sollen wir uns jetzt schon für die Zukunft Denkblockaden auferlegen?